Der alltägliche Wettkampf für Menschen mit Behinderungen

Ottobock startet Initiative zu den Paralympics: „The Unofficial Discipline“

Während die Welt sich in Paris für die Paralympischen Spiele versammelt und Athletinnen und Athleten in 23 Disziplinen gegeneinander antreten, startet Ottobock mit Unterstützung des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) eine symbolische neue Disziplin. In dieser „Unofficial Discipline“ treten Menschen mit Behinderungen tagtäglich unfreiwillig an. Es geht um „Wettkämpfe“ im Alltag: defekte Aufzüge, fehlende Rampen, Treppen, Kopfsteinpflaster, schmale Türen, … und auch Vorurteile, gegen die sie sich wehren müssen. Solche Herausforderungen sind für die meisten Menschen unsichtbar. Dabei leben weltweit über eine Milliarde Menschen mit einer Form von Behinderung, das sind etwa 16 Prozent der Bevölkerung.[i] 

„Die inoffizielle Disziplin besteht aus den Hürden, die Menschen mit Behinderung jeden Tag überwinden müssen. Während die Paralympioniken im Stadion um Medaillen kämpfen, Spitzenleistungen erbringen und Weltrekorde brechen, kämpfen sie auch gegen unsichtbare Hindernisse und Vorurteile“, sagt Martin Böhm, Chief Experience Officer bei Ottobock. „Wir möchten auf diese Herausforderungen aufmerksam machen, einen Dialog und Veränderungen anstoßen. Wir alle können Barrieren abbauen – im Großen wie im Kleinen. Denn wir können nur dann gewinnen, wenn alle die Ziellinie überqueren können.“

Barrieren sichtbar machen

Während der Paralympischen Spiele in Paris macht Ottobock, zusammen mit der Kreativagentur PRESENCE, die „Unoffical Discipline“ zum Gesprächthema – mit Plakaten, Postern und Videoprojektionen an öffentlichen Plätzen. Slogans wie diese sorgen für Aufmerksamkeit: Can we break the record for breaking barriers? / You can’t rise to the top in a broken elevator. / Inaccessibility won’t make it to the finish line. Eine Subline und ein QR-Code laden dazu ein, mehr über die Mission der Kampagne für Barrierefreiheit zu erfahren. Die Botschaften werden strategisch an schwer zugänglichen Orten wie Treppen platziert, ebenso wie auf Plakatwänden in der Metro und an beliebten Touristenattraktionen.

Darüber hinaus erwecken mehr als 20 paralympische SpitzensportlerInnen und 50 MarkenbotschafterInnen von Ottobock die inoffizielle Disziplin zum Leben und bringen sie in die digitale Welt. Unter dem Hashtag #UnofficialDiscipline teilen Persönlichkeiten aus der ganzen Welt ihre Herausforderungen im Alltag über Instagram und TikTok. Sie rufen ihre Follower zum Austausch und Teilen von ähnlichen Momenten auf, so dass eine Social-Media-Bewegung entsteht. 

„Unser Ziel ist, die Barrieren im Alltag von Menschen mit Behinderungen für alle sichtbar zu machen“, sagt Martin Böhm. „Paris ist dabei nur der Anfang. Die Kampagne wird bald auf andere Städte in Europa und den USA ausgeweitet. Wir sind uns bewusst, dass unsere Mission, Barrieren abzubauen, kein Sprint ist, sondern ein Marathon.“

#UnofficialDiscipline

Para-AthletInnen, die in Paris um Medaillen kämpfen, lassen sich im Stadion durch nichts aufhalten. Im Alltag jedoch, in ihren jeweiligen Ländern, kämpfen sie mit Hindernissen, wie alle Menschen mit Behinderungen. Unter anderem berichten folgende SportlerInnen über ihren täglichen, persönlichen Hürdenlauf:

  • Davide Morana ist ein Para-Athlet aus Italien, der für seine Erfolge bei Sprintwettbewerben bekannt ist. Aufgrund einer seltenen Form der Meningitis mussten seine beiden Beine und Arme amputiert werden. „In meinen täglichen Routinen muss ich über alles Nachdenken, alles planen. Zum Beispiel sind Touchscreens für mich zeitaufwendig und mühsam, manchmal nutze ich meine Nase dafür.“
  • Samantha Kinghorn aus Großbritannien hat als Rollstuhlrennfahrerin Goldmedaillen gewonnen und an den Paralympischen Spielen 2016 und 2020 teilgenommen. Ihre größte Herausforderung ist jedoch das Reisen im Rollstuhl: „Züge sind immer das Schwierigste. Ich kann nicht ohne Hilfe ein- und aussteigen, muss mich darauf verlassen, dass jemand die Rampe bereitstellt. Ich glaube nicht, dass ich jemals dem öffentlichen Verkehr in irgendeinem Land voll vertrauen werde.“
  • Für Ezra Frech, US-amerikanischer Weltrekordhalter im Para-Hochsprung, beginnt die inoffizielle Disziplin im Badezimmer. Sein linkes Bein wurde aufgrund einer angeborene Fehlbildung im Kindesalter amputiert. „Auf einem Bein im Bad oder in der Dusche zu hüpfen kann gefährlich sein, ich kann leicht ausrutschen und stürzen, besonders wenn der Boden nass ist.“
  • Para-Leichtathlet Léon Schäfer aus Deutschland hat mehrere Welt- und Europameistertitel gewonnen. Als sein Bein im Jahr 2010 nach einer Krebsdiagnose amputiert werden musste, war es ein Paralympionik, der ihn noch während seiner Reha zu diesem Weg inspirierte. „Eine meiner Hürden im Alltag ist, als Amputierter einen Führerschein zu bekommen. Die Bürokratie ist unglaublich anstrengend und schwierig.“ 
  • Die spanische Paralympionikin Desirée Vila Bargiela gehört zu den fünf besten Weitspringerinnen der Welt. Beim Reisen kann sie sich nicht auf den Wettkampf konzentrieren, sondern hat großen Planungsaufwand, verbunden mit der Unsicherheit, ob alles klappt. „Funktionieren die Aufzüge wirklich? Gibt es im Hotel eine Dusche, die ich bequem ohne meine Prothese nutzen kann? Für alles benötige ich mehr Energie.“
  • Alessandro Ossola ist ein herausragender italienischer Para-Athlet, der sich auf den Sprint spezialisiert hat, insbesondere den 100-Meter-Lauf. Sein Weg von einem traumatischen Unfall zu einem erfolgreichen Athleten ist eine mutmachende Geschichte. Er hat viele Hindernisse überwunden und macht sich dennoch Sorgen, welche zukünftig noch auf ihn zukommen. „Heute kann ich mit meiner Prothese alles machen. Aber ich frage mich, wie mich das Gesundheitssystem in Zukunft unterstützen wird.“

Ein Wettkampf, den es nicht geben sollte

Die neue Disziplin ist zwar nicht offiziell, aber sie ist real. Es geht nicht  um Medaillen oder Rekorde, sondern um das echte Leben. Der Wettkampf findet auf Straßen statt, in U-Bahnen, Büros und Cafés weltweit. 

„Die ‚Unofficial Discipline‘ ist mehr als nur eine symbolische Geste. Sie ist ein Aufruf zur Veränderung, ein Weckruf für eine inklusivere Welt. Damit Menschen mit einer Behinderung ihr Leben so leben können, wie sie es möchten“, sagt Martin Böhm. „In dieser Disziplin können wir nur gewinnen, wenn wir sie gemeinsam abschaffen.“